Über Jahre waren Migranten und Sozialschwache stillschweigend aus Kiezen und Quartieren verdrängt worden

Bezahlbarer Wohnraum in Stadt und Land ist für viele Menschen zu einer Existenzfrage geworden, die den sozialen Frieden bedroht. Beschämend dabei ist, dass es Demos erst gibt, seit die Einschläge die Mittelschicht treffen. Zuvor waren über Jahre Migranten und Sozialschwache stillschweigend aus Kiezen und Quartieren verdrängt worden.

Im rot-rot-grün regierten Berlin glauben jetzt viele Bürger, in einem der wohlhabendsten Länder der Welt sei es klug, per sozialistischer Graswurzelbewegung Wohnungskonzerne zu enteignen. Diesen Aufwand mit Milliardensummen kann man sich sparen. Klüger wäre es, etwa das Umwandeln von Miet- in Eigentumswohnungen zu verbieten. Außerdem: bauen, bauen, bauen!

Eigentlich müsste die Kanzlerin ihren Bauminister Horst Seehofer zu Beginn jeder Kabinettssitzung abfragen, wie viele neue Wohnungen gerade in der Republik gebaut werden. Seehofer müsste stehend vortragen, während Merkel tief im schwarzen Leder die Raute machen würde. Das wäre eine kleine Rache für einen CSU-Parteitag. Stattdessen machen die Christsozialen mit ihrem neuen Leader Markus Söder bei der Grundsteuer vor, dass sie den Schuss (noch) nicht gehört haben.

Das von der CSU kategorisch verlangte Flächenmodell ist sozial ungerecht, weil eine Villa am Starnberger See letztlich genauso hoch besteuert werden würde wie eine Mietskaserne in München-Neuperlach. Der Grundsteuer-Vorschlag von Finanzminister Olaf Scholz mag bürokratisch sein. Er will aber einen rasanten Anstieg der Grundsteuer sozial begrenzen, was wichtig ist, weil die Eigentümer die Abgabe an ihre Mieter umlegen. Im Gesetzentwurf von Scholz steckt noch eine spannende Idee: Eigentümer „baureifer“ Grundstücke, deren Bebauung Spekulanten verhindern, sollen künftig von Kommunen mit einem besonders hohen Hebesatz bestraft werden können.