Berlin. Die neuen Hartz-IV-Regelsätze stehen in der Kritik. DGB und Sozialverbände halten die Erhöhung wegen der Corona-Krise für zu gering.

  • Die Regelsätze von Hartz-IV-Empfängern soll erhöht werden
  • Doch an den Plänen regt sich Widerstand
  • Sozialverbände halten die geplante Erhöhung für viel zu niedrig

Hartz-IV-Bezieher sollen ab Januar 2022 mehr Geld bekommen. Die Bundesregierung will an diesem Mittwoch eine leichte Erhöhung der Regelsätze zum Jahreswechsel beschließen. Doch im Vorfeld der Kabinettsentscheidung gibt es massive Kritik von Gewerkschaften und vom Sozialverband VdK.

Sie halten nicht nur die Anhebung als solche für viel zu gering. Vielmehr werfen sie der Regierung vor, bei der Anpassung der Regelsätze zum Nachteil der Betroffenen zu rechnen - und das trotz Mehrkosten, die den Hartz-IV-Haushalte während der Pandemie entstanden seien.

Die meisten Hartz-IV-Bezieher sollen ab Januar drei Euro mehr bekommen

In der Rechtsverordnung des Bundesarbeitsministeriums, mit der die turnusmäßige, jährliche Anpassung der Regelsätze erfolgt, ist für die meisten Bezieher von Grundsicherung ein monatliches Plus von drei Euro vorgesehen.

Für Alleinstehende und Alleinerziehende plant die Regierung ab Januar eine Erhöhung von 446 auf 449 Euro monatlich. Der Satz für Partnerinnen, Partner und Ehegatten soll um drei auf 404 Euro steigen. Für Kinder zwischen 14 und 17 Jahren soll es im nächsten Jahr 376 Euro geben, ebenfalls drei Euro mehr als bisher.

Um jeweils zwei Euro soll der Satz für Sechs- bis 13-Jährige und für Null- bis Fünfjährige steigen (311 und 285 Euro). Für 18- bis 24-Jährige im Elternhaus steigt der Satz von 357 auf 360 Euro. Die geplanten Mehrkosten belaufen sich auf 190 Millionen Euro im kommenden Jahr.

Die Hartz-IV-Sätze sollen ab kommendem Jahr leicht ansteigen. Kinder unter 13 Jahren bekommen pro Monat zwei Euro mehr. Gewerkschaften und der Sozialverband VdK halten das Plus für viel zu gering. Auch wegen der Corona-Folgen.
Die Hartz-IV-Sätze sollen ab kommendem Jahr leicht ansteigen. Kinder unter 13 Jahren bekommen pro Monat zwei Euro mehr. Gewerkschaften und der Sozialverband VdK halten das Plus für viel zu gering. Auch wegen der Corona-Folgen. © dpa | Jens Kalaene

Gewerkschaften kritisieren Berechnungsgrundlage für die neuen Hartz-IV-Sätze

Grundlage für die Anpassung der Hartz-IV-Sätze ist ein so genannter Misch-Index. Zu 30 Prozent wird die Nettolohnentwicklung und zu 70 Prozent die Preisentwicklung im Laufe eines Jahres berücksichtigt. Entscheidend für die aktuelle Erhöhung ist der Zeitraum Juli 2020 bis Juni 2021. Dies waren Pandemie-Monate.

Genau hier setzt die Kritik von Gewerkschaften und dem VdK an: Der Staat habe in der zweiten Jahreshälfte 2020 die Mehrwertsteuer zur Ankurbelung der Konjunktur in der Corona-Krise abgesenkt. Damit seien die Preise in Deutschland künstlich abgesenkt worden.

Es sei unzulässig, jetzt dieses künstlich geschaffene, niedrigere Preisniveau zur Festlegung der künftigen Hartz-Regelsätze heranzuziehen, kritisieren sowohl der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) als auch der VdK. Die Steigerung bei den Hartz-IV-Sätze müsse in Wirklichkeit höher ausfallen, um die reale Preisentwicklung zu berücksichtigen.

Lesen Sie dazu auch:Rente in Hartz IV – Millionen Minijobbern droht Altersarmut

VdK-Präsidentin Bentele spricht von Kürzungsvorhaben der Bundesregierung

DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel warf der Regierung „eine faktische Kürzung der Hartz-IV-Regelsätze“ vor. Dies sei „völlig inakzeptabel“, sagte Piel unserer Redaktion. Die Erhöhung um nur drei Euro liege deutlich unterhalb der Preisentwicklung. Die Regierung ignoriere in der Corona-Krise die Nöte von Hartz-IV-Berechtigten. Betroffen seien besonders Kinder in armen Familien, „das ist unverantwortlich“, sagte Piel.

VdK-Präsidentin Verena Bentele nannte es „eine Unverschämtheit, dass die Regierung erneut bei jenen kürzt, die sich am wenigsten wehren können“. Die Koalition nehme die zweite Jahreshälfte 2020, als die Mehrwertsteuer reduziert war, zur Berechnungsgrundlage für die Hartz-IV-Regelsätze „und kürzt damit de facto die Leistungen von Grundsicherungsbeziehern“.

Forderung nach einer grundsätzlichen Anhebung der Hartz-IV-Sätze

Bentele betonte mit Blick auf die Mehrwertsteuersenkung, was einst als steuerliche Entlastung gedacht war, werde nun für Menschen in Grundsicherung „zum großen finanziellen Verlust“. Sie forderte, die Hartz-IV-Sätze generell anzupassen und auch den inflationsbedingten Preisanstieg auszugleichen. Piel betonte: „Der DGB erwartet von jeder neuen Regierungskoalition eine zügige Initiative, die diesen Irrweg korrigiert.“

Neben rund 3,9 Millionen Beziehern von Arbeitslosengeld II, die in der Statistik als „erwerbsfähig“ geführt sind, betrifft die Anhebung auch etwa 564.000 Senioren, die im Alter auf staatliche Grundsicherung angewiesen sind. Auch anerkannte Asylbewerber können die Leistung beantragen. Nach der Entscheidung der Bundesregierung müssen die Länder über den Bundesrat der Erhöhung zustimmen.

Mehr zum Thema Hartz IV